Auf Brettern durch angestaubtes Land
02.01.2009 "Morgen geht´s in den Urwald", sagt Andreas Adam und blickt verschmitzt drein. Der 52-Jährige Skiführer mit dem graumelierten Bürstenschnitt gibt sich bedeutungsschwanger und verabschiedet sich mit einem "Gute Nacht". In der Früh soll es ausgeschlafen auf die Bretter gehen. Auf Loipen durch die glitzernde Winterlandschaft des Bayerischen Waldes - es klingt verheißungsvoll.

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Nach dem Frühstück fahren wir vom auf 689 Metern gelegenen 3500-Einwohner-Ort Bodenmais, dem "Tor zum Bayerischen Wald", in Richtung "Bretterschachten" auf 1118 Metern. Der "Bretterschachten" ist das Langlaufzentrum der Bodenmaiser und ein Begriff in der Szene der Skilangläufer. Es ist der Ausgangspunkt für Touren auf insgesamt rund 65 Kilometern Loipe, die teils für das "Skaten" präpariert sind - bei der Stilvariante sorgt der Schlittschuhschritt für Bewegung.

Vor Ort angekommen glitzert keine einzige Schneeflocke. Es ist verhangen hier oben. Und auch das mit dem Urwald war wie erwartet übertrieben, auch wenn in den urigsten Winkeln des Bayerischen Waldes kein Holz geschlagen wird, die Sturmschäden liegen bleiben, wie Adam erzählt. Aber immerhin: Weite Teile des Bayerischen Waldes machen den ältesten Nationalpark Deutschlands aus. 1970 wurde er gegründet.

Der Parkplatz am Bretterschachten ist überfüllt, die sternförmig zusammenlaufenden Loipen wimmeln von Langläufern in engem Sportdress. Voller Elan werden die Ski angeschnallt: Immerhin geht beim hier jährlich veranstalteten Volkslauf "Skadi Loppet" auch die Crème de la Crème an den Start. Was heute unter den Füßen befestigt wird, sind keine langen Latten von anno dazumal, sondern die modernen Skating-Skier ­- kürzer als die klassischen und zudem gut gewachst vom Halbprofi Adam, der als echter Bodenmaiser seit Kindesbeinen an auf Skiern steht. Pokale und Urkunden in seinem Skikeller zeugen von Erfolgen.

Auf der Trainingsloipe werden die vorhandenen Fähigkeiten der Gäste ermittelt, dann heißt es: "Wie nehmen die kurze 9-Kilometer-Tour." Geschätzte Dauer: drei Stunden. Angesichts wesentlich längerer Touren, auf die man sich ab hier machen kann, ist das eine kurze Runde. Stuft der Skiführer uns etwa als Anfänger ein?

Nach fünf Minuten sind wir in der Abgeschiedenheit. Dazu trägt zwar die schlechte Sicht bei, aber dennoch: Auf dem weit verzweigten Loipennetz hat sich schnell alles, was gleiten kann, in weite Winde verstreut. Wir befinden uns in einem der größten zusammenhängenden Waldgebiete Europas im Osten Bayerns nahe der tschechischen Grenze. Bei guten Wetter hätten sich herrliche Ausblicke auf den "König des bayerischen Waldes" erschlossen, den Großen Arber (1456 Meter). Und wer sich für eine Tour am Großen Arber entscheidet, hat dort teils so gute Fernsicht, dass die Alpen wolkengleich am Horizont erscheinen.

Nachdem nicht ohne Anstrengung ein 120 Meter höher gelegenes Plateau erarbeitet ist, weist Adam zum "cruisen" an: Es geht querfeldein, in leichtem Gefälle im Zick-Zack um junge Fichten. Der Slalom-Parcour in dem gepflegten Stück geht an die Substanz. Bei Adam dagegen ist von Anstrengung nichts zu sehen. Interessant ist der Gedanke, dass unsere Skier und den Waldboden gut einen Meter Schnee trennen.

Ein Meter Schnee ist in den höheren Lagen des Bayerischen Waldes nicht ungewöhnlich - selbst zum Ende der Saison, die von November bis März, manchmal bis April dauert. "Die Gegend ist ja schon so ein Schneeloch", beschreibt Stefan Schwarzbach vom Deutschen Skiverband die günstige Lage. Der Bretterschachten sei trotz Erderwärmung ein Gebiet, in dem "in Zukunft gut und sicher Langlauf stattfinden kann". 2012 plant Bodenmais, die "Nordic World Masters" auszutragen, die Weltmeisterschaft der Senioren. Wohlgemerkt sei dies die Altersklasse der Über-Dreißigjährigen und keine ausgewiesene Greisenveranstaltung, erklärt Adam.

Nach dem Abstecher in loipenfreie Gefilde geht es für die Abfahrt wieder in die Spur. "Da, der macht es falsch!". Adam zeigt auf ein betagtes Männchen, das in steifer Haltung ohne sichtbare Anstrengung den Hang hinabgleitet. Nein, in gebückter Haltung soll es hinabgehen, mit den Stöcken zwischen den Armen! So getan, zittern an einer ebenen Wegeskreuzung angekommen die Knie. Die Ski sind gut gewachst und haben für Beschleunigung gesorgt. Wahrscheinlich waren die des Männchens stumpf.

Angestaubt sei das Image des Bayerischen Waldes, beklagt Timo Krause von der Bodenmais Tourismus GmbH, die die Zuständigkeit in Sachen Tourismus von der Kurverwaltung übernommen und eine touristische Verjüngungskur verordnet hat. Die Gegend ist zwar nach wie vor ein beliebtes Touristenziel - aber fast nur unter der Generation Best Ager.

Zumindest das Image des Skilanglaufs müsse aber "gar nicht so alt sein", findet Ehepaar König aus Moers, das wir an der Kreuzung treffen. Frau König, um die 50, verweist auf die flotte Abfahrt. "Faszinierend" an den Skigebieten um Bodenmais finden die beiden, dass beides möglich ist: Langlauf durch idyllische Wälder und Abfahrt: Am Großen Arber gibt es eine schwarze Piste, die bei Weltcuprennen wie der Bretterschachten den Ansprüchen der Elite genügt.

(ddp)